Eine Analyse von immowelt gleicht die Pläne der Regierung aus dem letzten Koalitionsvertrag mit der Realität ab:
Nürnberg, 16. September 2021. Die Mieten sind in den vergangenen Jahren auch in Ballungsräumen mit angespannten Wohnungsmärkten weiter geklettert und der Traum vom Eigenheim rückt für viele Familien aufgrund steigender Immobilienpreise in weite Ferne. Dabei lauteten zentrale wohnungspolitische Versprechen der Großen Koalition beim Antritt: Schaffung von Wohnraum, Verlangsamung des Mietanstiegs und Eigentumsförderung. immowelt macht nach 4 Jahren den Realitäts-Check für das scheidende Regierungsbündnis von CDU, CSU und SPD.
Um den Anstieg der Mieten zu dämpfen, wurde im Juni 2021 eine Novelle des Mietspiegelrechts beschlossen. Darin wurde die 2015 eingeführte Mietpreisbremse nachgeschärft. Diese sieht in angespannten Wohnungsmärkten vor, dass Neuverträge nur noch 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen dürfen. Für Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern ist die Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels nun verpflichtend. Der Erfassungszeitraum bleibt allerdings auf 2 Jahre begrenzt und wurde nicht auf 3 Jahre erhöht, wie im Koalitionspapier angekündigt. Je länger das Bemessungsfenster, desto geringer ist die ortsübliche Vergleichsmiete, auf deren Basis sich der maximal zugelassene Mietaufschlag bemisst.
Eine Begrenzung des Mietanstiegs ist nicht gelungen. Auch im Krisenjahr 2020 lässt sich am Wohnungsmarkt keine Trendwende beobachten. Eine immowelt Untersuchung von 80 Großstädten zeigt: In 67 Städten haben sich die Angebotsmieten von Wohnungen im Vergleich zum Vorjahr weiter verteuert. Laut immowelt Prognose klettern die Mieten in den größten deutschen Städten bis Ende des Jahres weiter.
Ob die Mietpreisbremse in ihrer derzeitigen Ausgestaltung geeignet ist, den Anstieg der Mieten zu begrenzen, darf bezweifelt werden. Eine immowelt Analyse zeigte auf: In allen 39 Großstädten mit Mietpreisbremse sind die Mieten seit der Einführung 2015 im zweistelligen Prozentbereich gestiegen. 29 Großstädte weisen sogar ein Plus von 20 Prozent und mehr auf. Eine breite Entlastung stellt sich mit der Mietpreisbremse bisher nicht ein.
Wohneigentum gilt als wichtiger Baustein gegen Altersarmut und ist ein Werkzeug zur Wahrung des sozialen Friedens – speziell in Ballungsräumen, wo der Anteil an Mietern besonders hoch ist. Die Wohneigentumsquote bleibt aber seit Jahren konstant bei rund 44 Prozent (Quelle: empirica Regio) – in hochpreisigen Städten sogar deutlich niedriger. Es wird immer schwerer Immobilieneigentum zu erwerben, weil die Preise zuletzt stark gestiegen sind. Im vergangenen Jahr kletterten die Angebotspreise von Eigentumswohnungen weiter – teilweise um über 30 Prozent. Das ist das Ergebnis einer immowelt Analyse. Für viele Normalverdiener ist der Sprung ins Eigenheim daher nur noch schwer realisierbar. Die immowelt Prognose verspricht keine Besserung: Bis Ende 2021 steigen die Kaufpreise für Eigentumswohnungen in den größten deutschen Städten ungebremst weiter – mancherorts um bis zu 14 Prozent.
Um speziell Familien den Zugang zu Wohneigentum zu ermöglichen, strebte die Große Koalition die Einführung eines Baukindergelds an. Eltern, die eine Immobilie zur Eigennutzung erwerben, konnten bis zu 12.000 Euro pro Kind an staatlicher Förderung über 10 Jahre beantragen. Das Baukindergeld wurde im Juli 2018 verbabschiedet und trat rückwirkend zum 1. Januar 2018 in Kraft. Allerdings wurde die Fördermaßnahme noch in der gleichen Legislaturperiode wieder abgeschafft und ist zum 31. März 2021 ausgelaufen. Eine immowelt Auswertung zeigt: Das Baukindergeld ist größtenteils verpufft. In 368 von 397 untersuchten Stadt- und Landkreisen deckte die Förderung nicht mal 10 Prozent vom Kaufpreis inklusive Nebenkosten für ein familientaugliches Objekt – in über der Hälfte der Regionen sind es sogar weniger als 5 Prozent.
Der Zuschuss war nicht geeignet, um Familien die nötige finanzielle Spritze zum Sprung ins Eigenheim zu liefern und war isoliert nicht in der Lage, die Eigentumsquote in Deutschland zu erhöhen. Ein Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer für den erstmaligen Immobilienerwerb, wie er im Koalitionsvertrag stand, wurde nicht umgesetzt.
Heere Ziele, wenig erreicht: So könnte das Zeugnis für die scheidende Bundesregierung in Bezug auf den Wohnungsmarkt lauten. Der Immobilienmarkt ist ein komplexes Geflecht, das oft erst nach Jahren auf politische Entscheidungen oder gesellschaftliche Veränderungen reagiert. Einfache Lösungen reichen oftmals nicht, um schnelle Ergebnisse zu erzielen. Zumal es externe Faktoren gibt, die auch eine Regierung nur sehr begrenzt beeinflussen kann – beispielsweise die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank, die aus Immobilien noch begehrtere Anlageobjekte gemacht hat.
So werden auch nach der Bundestagswahl am 26. September große wohnungspolitische Aufgaben auf die kommende Regierung warten. Eine Übersicht, was die derzeit im Bundestag vertretenen Parteien zur Wohnungspolitik in ihren Wahlprogrammen planen, findet sich hier im immowelt Ratgeber.